JOHANNES DIETHART
Warten Sie
mit meiner Hinrichtung,
dann brauchen Sie
mich nicht zu rehabilitieren
Aphorismen

Österreichisches Literaturforum
April 2009
ISBN-10: 3900860351
ISBN-13: 9783900860356
€ 9,00

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Hände hoch — Aphorismen!

Zuvörderst eine Frage: Man will es kaum glauben: Der
Aphoristiker als „Gutmensch”? Haben wir ihn bisher nicht
in allererster Linie als Haxlbeißer, Satiriker, Gesellschaftskritiker
und Humanisten kennengelernt? Ja, durchaus, obwohl
das weinende Auge im Verein mit dem Damoklesschwert
immer über ihm schwebt. Wenn er etwa schreibt: „Die Jungen
wollen sich bei ihren Dummheiten nicht dreinreden
lassen”, denkt er dabei sicherlich auch an seine eigene Jugend
und die vielen vertanen Möglichkeiten und die vielen
nicht ausgeführten guten Vorsätze, mit denen bekanntlich
der Weg in die Hölle gepflastert ist.
Und ist das nicht schon der Weg zum „Gutmenschen”,
einer menschlichen Spezies, die in unserer egoistischen Gesellschaft
schon ganz ordentlich ins Gerede gekommen ist
als (allzu) blauäugiger Weltverbesserer und Altruist, der noch
seinen Mörder bei der Tür hereinläßt, wenn selbiger, mit
dem Meuchelpuffer im Anschlag, Einlaß begehrt?
Der Aphoristiker ist ein Kämpfer — und ein Humanist,
also ein Gutmensch! Jawohl, aber nicht mit dem sprichwörtlichen
Hackebeil bewaffnet, sondern mit Donner und
Blitz des Geistes, um die Metapher zu retten, die in unserm
Alltagsleben oft nur mehr vom Gnadenbrot lebt.
Die Metapher, die in einem Aphorismus steckt, um in
einem Aha-Erlebnis auf die Welt zu kommen, ist eine kleine
Athene, die aus des großen Zeus Kopf entspringt! Ha,
witzig, denkt sich Lieschen Müller und kann mit so einem
vermeintlich ganz „dummen” Satz nichts anfangen. „So ein Hiasl”,
wird sie sagen und die Aphoristik für ihr ganzes Leben
„abhaken”. Soll jetzt der Aphoristiker reumütig Tränen
vergießen? Mitnichten! Er wartet auf einen Menschen oder
eine Menschin, der den Kopf schieflegt, das Hirn zusammenrinnen
läßt und mit seinem Aha-Erlebnis die Sonne
aufgehen läßt — und einer Metapher mehr das Lebensrecht
der höheren Bedeutung einhaucht.
„Konkrete” oder „faktische” Aphorismen sprechen uns
direkt an: „Wir globalisieren uns zu Tode.” Sie lassen den
Gedanken über das „Wie” freien Lauf. — „Laß die Finsternis
Finsternis sein” trägt dagegen die übertragene Bedeutung
offen vor sich her und fordert und befruchtet unsere Phantasie.
Spitze Pfeile mit Denkansätzen sind auch die folgenden
Aphorismen, die den Leser zum Mit- und Nachdenken
anregen sollen, nicht ohne „hortative Komponente”, wie
es im Fachchinesisch der Erziehungswissenschaftler heißt
(und die heute so verpönt ist). Also: Kein Frontalangriff,
kein Frontalunterricht, wie es lange Usus war: Der Mensch
entwickelt sich ja weiter, heißt es immer wieder mit vollmundigem
Pathos — aber wieso bemerkt man auf dem Gebiete
des Geistes oft so wenig davon? Die heilige Kuh,
die Ökonomie oder der technische Fortschritt, wie man
die Menschheit am besten mit einem einzigen Knopfdruck
ausrotten könnte, gehört wohl nicht dazu.
Der Aphoristiker kann also seine Aphorismen „faktisch”
anlegen („Eine Tyrannei ist ein Moloch”), provokativ („Laß
mir meinen Engelsglauben!”) oder eben metaphorisch
(„Auch ohne Wasser steht der Sahelzone das Wasser bis zum
Hals”).
„Brav” sollen und können sie also nicht sein, die Aphorismen,
die der Aphoristiker auf die Menschheit losläßt
(„Die Untergebenen hat man zu Mitarbeitern degradiert -
die Vorgesetzten sind die gleichen geblieben”). Gute Nacht-
Geschichten der anderen Art.
Ein Aphorismus soll, wie gezeigt worden ist, auch durchaus
Provokation sein: Er muß Widerspruch hervorrufen, das
Denken ankurbeln.
Ein solches provokantes Beispiel ist die Formulierung:
Was soll man von einem Österreicher halten, der „Kartoffel”
und „Tomate” sagt?
Stoff für Hunderte Dissertationen. Und für viele weitere
Aphorismen ...
Was sich der Autor wünscht? — Aha-Erlebnisse, denn:
„Das Aha-Erlebnis des Lesers beim Lesen eines Aphorismus
ist die Lebensberechtigung eines Aphorismus — und
des Aphoristikers.”
Gewidmet hat Johannes Diethart sein Aphorismenbändchen
dem von ihm bewunderten slowenischen Aphoristiker
Žarko Petan und allen Aphoristikern vor und nach ihm.
Aber vergessen Sie ja nicht: Aphoristiker sind allmächtig.
Sie können Axiome aufheben, Naturgesetze aushebeln und
für null und nichtig erklären.
Richten Sie sich danach!

Hannes Outis

Tu etwas gegen die Umweltverschmutzung:
Schreib nicht so viel! Halte dich lieber an
Aphorismen.

Nicht jeder Aphorismus muß das Geheimnis
lüften, das Himmel und Erde zusammenhält.
Es genügt schon zu begreifen, warum ein Blatt
vom Himmel fällt.

Ehrlichkeit kann lebensgefährlich sein. Das gilt
besonders für Aphoristiker.

Ein treffender Aphorismus — und das Tagwerk
ist getan.

Der Weg der Erkenntnis kann durchaus auch
über einen Aphorismus führen.

Wie kann einer, der „Fantasie” schreibt, überhaupt noch Phantasie haben?

Ich habe durchaus eine eigene Meinung: Ich sage genau das, was mein Vorgesetzter will.

Es gibt eine erschreckend hohe Anzahl von Menschen, denen es Befriedigung verschafft, mit der Dummheit der Menschen ihr Geld zu verdienen.

Was ist an einer Geschichte besser, wenn sie „story” heißt?

Wenn Politiker ihre Niederlage schönreden, kommen einem die Tränen. Das Lachen der Hühner in den luxuriösen Legebatterien ist ihnen gewiß.

Auf wie vielen Augen sind wir sonst noch blind?

Bevor du ihn erschießt, denk daran, daß es vielleicht sein letzter Tag sein wird. Also, behandle ihn gut!

Auch unsere Helden sind nur arme Hunde.

Ich habe mich meines Lebens bemächtigt, um daraus einen Roman zu machen. Da kann ich mir dann das „Happy- End” selber aussuchen.

Halte ruhig den Kopf hin, solange es nicht dein eigener ist.

Selbstmord: Desertion oder Ausbruch ins Jenseits.

Warum spricht keiner vom Bruttonationalglück?

Ohne den „Schnee von gestern” könnten die „Schihiasln” von heute nicht die Pisten hinunterbrettern.

Es bedarf geballter Anstrengungen, um die Leichen im Keller nicht zu vergrämen.

Zum Glück können die meisten von uns die Welt nicht nach ihren Vorstellungen verändern. Denn dann wäre diese noch viel ärmer dran, als sie es jetzt schon ist.

Nur keine Angst: Jede Generation macht ihre eigenen Fehler – und die alten dazu.