JOHANNES DIETHART
Wenn der Hut brennt
ist Feuer am Dach
Aphorismen
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Österreichisches Literaturforum
Juni 2000
ISBN-10: 3900860033
ISBN-13: 9783900860035
€ 9,50
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Nur wer etwas zu sagen hat,
darf Worte verlieren
Hannes Outis
WOZU DAS ALLES?
Unsterbliche Eintagsfliegen nennt Werner Ehrenforth
die Aphorismen: In ihnen sollen Lebenskenntnis, spaßige
Komödie und ernsthafte Tragödie in Knappheit und Kürze
einen Bund eingehen, Wahrheiten zum Ausdruck kommen,
die Phantasmen und Alltag verbinden.
Schon für Karl Kraus lagen Leben und Sprache einander
in den Haaren, und in einer Zeit, die aus den Fugen geraten
schien, zeigte sich für ihn die Sprache als gefährdetes Verständigungsmittel.
Und welche Zeit ist nicht aus den Fugen
geraten? Und welche Sprache ist nicht gefährdet?
Hier springt der Aphorismus ein, der zum einen kurz
sagt, was lang sich nicht sagen läßt, oder, wie es Wendelin
Schmidt-Dengler umschrieben hat: „Der Aphorismus deckt
ein Defizit ab, das der gelehrte Diskurs läßt: Er findet das
Loch, das der Seelenzimmermann gelassen hat, aber stopft
es nicht zu, sondern sorgt für Zugluft, sprich: frische Sprache.”
Was immer also diese „Kürzestprosa” in sich bergen
kann, seien es Same, Frucht oder Abfall gelehrter, schriftstellerischer,
dichterischer oder einsamer Besinnung, sie
muß, wenn sie auch den formalen Gesetzmäßigkeiten dieses
Genres entspricht, der Benennung „Aphorismus” gewärtig
sein. |
Wenn einer nur lange genug wartet,
wird er von selber alt!
Wenn scheinbar zeitlos gültige Antworten nicht
immer wieder zu offenen Fragen werden,
hat man falsch geantwortet.
Für die meisten sogenannten Experten ist der
sprichwörtliche Sachzwang eine willkommene
Ausrede, nicht denken zu müssen.
Unsere überzeugten Selbstverwirklicher
verwirklichen sich zumeist auf Kosten anderer.
Was von außen hohl erscheint,
muß nicht unbedingt leer sein.
Bei den meisten von uns ist Unauffälligkeit die
auffälligste Eigenschaft.
Signale, höret endlich auf die Völker!
Unsere 68er-Eltem haben uns alle möglichen
Ideale versprochen. Und was haben wir heute
davon? AIDS statt freier Liebe, Arbeitslosigkeit
statt sozialer Gerechtigkeit, Balkan- und andere
Kriege statt Frieden.
Ein künstlerisch begabter Mensch sollte
grundsätzlich bereit sein,
seine ästhetische Begabung auch für die Gestaltung
von Messern und Gabeln einzusetzen.
Viel zu viele von uns haben zu früh verlernt,
daß sie etwas zu sagen haben.
Was uns oft fehlt, ist eine gesunde,
in sich richtige Aggressivität.
Entwicklung ist nichts anderes als die
Verbindung von Altbekanntem mit Neuem. |